Pfingstrosengarten Miely

Wo die Pfingstrose Götter und Walküren trifft

Wotan und Alberich, Brünnhilde und Grimgerde – was sich wie die Protagonisten des Nibelungenrings liest, sind die Namen prächtiger Pfingstrosensorten, die der Gärtner Michael Miely in seinem Pfingstrosengarten im oberösterreichischen Buchkirchen gezüchtet hat.

Auf dem idyllisch gelegenen Hof „Pachmayr zu Uttenthal“, der bereits 1654 urkundlich erwähnt wurde, wachsen auf 2,5 Hektar in sonniger Hanglage rund 650 Sorten Paeonien, wie die Pfingstrosen im Fachjargon heißen. Die 50 eigenen Sorten hat Miely alle nach Wagners Opernzyklus benannt. Wer im Mai oder Juni einen Ausflug in Mielys Pfingstrosengarten unternimmt, findet neben den eigenwilligen Sortennamen aber vor allem eines: ein bunt wogendes Blütenparadies, das Besucher in Staunen versetzt und Pfingstrosenliebhaber begeistert.

Wie alles begann

In die Fußstapfen seines Vaters, eines Schuhmachers in dritter Generation, wollte Michael Miely auf keinen Fall treten. In jungen Jahren hatte er nur zwei Berufswünsche, entweder Gärtner oder Pilot. Zum Glück entschied er sich für Ersteres.

Nach Abschluss der Gartenbauschule in Langenlois begann er 1984 als Geselle in der Stadtgärtnerei Vöcklabruck. „Wir haben damals lauter neue Pfingstrosenhybriden aus Amerika gekriegt, unter anderem die Coral Charm und die Red Charm, da hat mich die Sammelleidenschaft gepackt. Mit jungen 20 Jahren habe ich in Deutschland meine ersten Paeonien bei einer Staudengärtnerei bestellt, die damals schon über 500 Sorten im Programm hatte. Es gab ja noch kein Internet, also habe ich nach einer Pflanzenliste und dem Klang des Namens bestellt. So war es immer eine Überraschung, was ich geschickt bekommen habe.“, lacht Miely. „In der Staudengärtnerei Feldweber in Orth im Innkreis habe ich dann mein erstes Pfingstrosenfeld gesehen. Da wusste ich: Das will ich auch!“

Die ersten Pfingstrosen kultivierte er noch am elterlichen Grundstück in Schwanenstadt, doch erst am Hof der Schwiegereltern in Uttenthal konnte sich der Gärtner züchterisch entfalten. „Von meinem Schwiegervater bekam ich den Platz für vier Reihen auf dem heutigen Schaufeld. 2001 war es endlich soweit, ich hatte mein erstes eigenes Pfingstrosenfeld. Im Jahr darauf blühten meine Paeonien zum ersten Mal und gleichzeitig starteten wir mit den ersten Pfingstrosentagen.“, erinnert sich der Züchter an seine erfolgreichen Anfänge. Die Pfingstrosentage gibt es bis heute, und sie ziehen jedes Jahr Hunderte von Besuchern aus nah und fern ins beschauliche Uttenthal.

Hochsaison im Pfingstrosengarten

Von Mitte Mai bis Mitte Juni herrscht im Pfingstrosengarten Hochbetrieb. Um 6 Uhr morgens beginnt der Tag mit dem Schneiden der Schnittblumen und dem Bewässern der Verkaufsware. Welche Sorte an welchem Tag zu blühen beginnt, wird akribisch aufgezeichnet, bevor zeitig am Tag die ersten Kunden kommen und ständig Ware für den Verkauf nachgeschlichtet werden muss. Jeden Abend kontrolliert Miely noch seine Vermehrungsfelder. In streng alphabetischer Reihenfolge stehen die Sorten in mehreren hundert Meter langen Reihen nebeneinander. Ein Blütentraum, so weit das Auge reicht. Konzentriert geht der Züchter die Zeilen ab und entfernt alle Pflanzen, die nicht sortenrein wachsen. Nur so kann er seinen Kunden bei der Auslieferung im Herbst garantieren, dass sie die richtigen Wurzelstöcke von ihm erhalten.

Schnittware, die nun in den Großhandel kommt, muss im optimalen Stadium geerntet werden. Wenn die Knospe schon etwas Farbe zeigt und so weich ist wie ein Marshmallow, ist der Schnittzeitpunkt perfekt, so der Züchter. Im Kühlraum halten sie dann noch drei Wochen, in der Vase circa zehn Tage.

Der lange Weg vom Samenkorn zur eigenen Sorte

Miely kreuzt auf seinen Feldern nicht bewusst, diese Tätigkeit überlässt er den Insekten und der Natur. Seine züchterische Arbeit beginnt mit der Auslese: Von den Sorten, die in Wuchs und Struktur interessant sind und schöne große Samenstände haben, entnimmt er im September Samen und sät diese an.
Ganze vier Jahre dauert es, bis sich aus einem Samenkorn eine kräftige Jungpflanze entwickelt hat. Bis zur ersten Blüte vergehen weitere zwei bis drei Jahre. Nochmals 10 Jahre vergehen, bis von einer neuen Sorte so viele Pflanzen vermehrt wurden, dass sie in kleinen Mengen verkauft werden kann.
„Das heißt, nach sieben Jahren zeigt sich erst, ob eine neue Sorte vielversprechend ist und sich die Zuchtarbeit gelohnt hat. Dann dauert es nochmals ein Jahrzehnt, bis sie auf den Markt kommt. Deshalb habe ich auch schon im jungen Alter von 25 Jahren mit dem Züchten begonnen, denn die Pfingstrosenzucht ist definitiv kein Pensionistenjob! Wer diese Geduld nicht hat, sollte lieber Phlox züchten, das dauert nicht so lang.“, lacht Miely. „Heuer sind wieder zwei coole Sorten entstanden, bist du narrisch, sind die schön!“, freut sich der Züchter über seinen aktuellen Erfolg.

Aber auch jene Neuzüchtungen, die seinen Ansprüchen nicht genügen, werden nicht einfach entsorgt, sondern dienen als Dekoration am Rande des Schaugartens, oder als Schnittblumen.

Wie eine neue Sorte zu ihrem Namen kommt

„Es gibt Züchter, die benennen ihre Pfingstrosen nach deutschen Städten oder nach griechischen Göttern. Ich habe mir damals gedacht, okay, dann nehme ich die deutschen Heldensagen, aber die Namen klingen furchtbar! Irgendwann bin ich auf Wagner und seine Opern gekommen und dabei bin ich geblieben. Bei ‚Wotan‘ oder ‚Brünnhilde‘ weiß ein Pfingstrosenkenner inzwischen, dass diese Sorte vom Miely sein muss.“, so der Züchter stolz.
„In diesem Jahr musste ich allerdings eine Schnittblumensorte nottaufen, die bis dato nur ‘2004/13‘ hieß. Mit so einer Bezeichnung kann sie ja nicht in den Großhandel kommen! Also habe ich ihr einen Namen aus einer Verdi-Oper gegeben. Meine eigenen Sorten sind aber ausschließlich nach Wagner benannt. Für 6 oder 7 Sorten habe ich noch Namen übrig, dann müssen wir auf andere Opern ausweichen“, sagt Miely etwas wehmütig.

Kunden und ihre Vorlieben

Der Trend zur Pfingstrose ist seit Jahren ungebrochen und Sorten wie die lachsrosa Coral Charm oder die leuchtend rote Red Charm sind jedes Jahr aufs Neue Bestseller. Bei der Sortenwahl gibt es laut Miely durchaus Unterschiede. Kunden aus nördlichen Ländern wie dem Baltikum oder Schweden bevorzugen einfach blühende Sorten, während Kunden aus den GUS-Staaten gefüllte Paeonien kaufen. Den Grund dafür kennt er nicht. Sammler seien ohnehin eine eigene Liga, so Miely. Die geben bei anderen Züchtern schon mal bis zu tausend Euro für eine besondere Sorte aus. Solche Preise verlangt er nicht, seine Züchtungen sollen für alle leistbar sein. Bei ihm gibt es Pfingstrosen bereits unter 15 Euro, wie zum Beispiel die Sarah Bernhardt‘, die mit ihren hellrosa gefüllten Blüten seit Jahrzehnten zu den international beliebtesten Sorten zählt.
Mielys teuerste Paeonie ist seine Eigenkreation ‚Elsa von Brabant‘, die mit 180 Euro für Pfingstrosenliebhaber immer noch erschwinglich ist. „Das ist sie aber auch wert, denn sie hat eine äußerst gute Substanz und ist eine wunderschöne Sorte – der Rolls Royce unter meinen Paeonien.“, ist der Züchter überzeugt.

Welche Sorte es dem Züchter besonders angetan hat

Natürlich die Elsa von Brabant, wie könnte es anders sein. Stolz ist er auch auf die Züchtung ‚Ellen Rosa‘, die intensiv nach Nelken duftet. Am liebsten mag er persönlich die schwebenden Sorten, wie die ‚Lora‘, eine halbgefüllte Sorte mit großen, pink-weißen Blüten.
Die Frage nach seiner „Lieblingssorte“ wird von Miely aber mit einem Stirnrunzeln quittiert, denn was bedeutet das schon? Viel wichtiger ist es für ihn, dass eine Sorte gesund ist. Starke Stiele, die nicht knicken, und schöne Blätter soll sie haben. Perfekt ist es, wenn die Blüte auch noch gut duftet. Das ist eben der Anspruch eines Pfingstrosenzüchters, denn über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.

Nach der Blüte

Sobald die Blütezeit im Juni vorbei ist, widmet sich Miely wieder vermehrt der Bestandspflege. Beikraut und vor allem die Hirse muss auf den Feldern in Schach gehalten werden, da sie die Paeonien überwuchern und die Pflanzen schwächen können. Eine ständige Herausforderung für den Gärtner, der es sich zum Ziel gesetzt hat, so wenig Spritzmittel wie möglich einzusetzen.
Im September beginnt die Erntezeit der Wurzelstöcke, die in Folge an Kunden in der ganzen EU verschickt werden. Auch die spannende Arbeit der Neuzüchtungen startet im Herbst. Daneben bleibt aber immer noch Zeit für sein großes Hobby.

Den Traum vom Fliegen hat er nämlich nicht ganz aufgegeben. In seiner Freizeit baut er leidenschaftlich gerne Modellflugzeuge, die er am Modellflugplatz oder in den Bergen starten lässt. Stattliche Modelle sind dabei, wie etwa ein Doppeldecker mit über 2 Metern Spannweite, liebevoll lackiert in schönen Blautönen.

Wenn also die Namen aus dem Ring des Nibelungen irgendwann alle vergeben sind, könnten ja Flugpioniere Pate stehen. Otto Lilienthal oder die Gebrüder Wright würden sich posthum sicher über eine nach ihnen benannte Paeonie freuen.

„Gärten sind die zärtlichsten Spuren, die Menschen auf dieser Welt hinterlassen können.“

(Autor unbekannt)

INFOBOX

Das Gartenportrait ist im Juni 2023 entstanden. 

  • Fotografiert in Buchkirchen (Oberösterreich)
  • Adresse: Uttenthal 4, 4611 Buchkirchen, Österreich
  • Telefon: +43 (0)7242 28415 oder +43 (0)699 11759708
  • Die genauen Öffnungszeiten entnehmen Sie bitte der Homepage.
  • Die 22. Pfingstrosentage finden von 10. Mai bis 09. Juni 2024 statt!
  • Der Eintritt ist frei

Tipps vom Züchter und Infos zur Pfingstrose finden Sie unterhalb der Bildergalerie.

Tipps direkt vom Züchter

Standort

Sonnig bis halbschattig, keine besonderen Bodenansprüche

Pflege

Sehr pflegeleicht. Einer Pfingstrose kann es eigentlich nie zu trocken werden. Nasse Füße mögen Pfingstrosen allerdings nicht, sonst faulen die Rhizome. Strauchpfingstrosen sind ebenso anspruchslos, brauchen aber mehr Platz. Sie blühen 2 Wochen früher (Anfang bis Mitte Mai) und bilden Blüten mit einem Durchmesser von bis zu 24 cm.

Krankheiten und Schädlinge

Eigentlich keine. Die Strauchpfingstrose bekommt manchmal Botrytis. Befallene Triebe werden bis ins gesunde Holz zurückgeschnitten, danach treiben sie meist frisch aus.

Begleitpflanzen

Der bekannte Staudenzüchter und Gartenphilosoph Karl Förster sagte einmal: „Ein Garten ohne Blau ist ein Fehler.“ Die Pfingstrose ist also in guter Gesellschaft mit Katzenminze oder Rittersporn. Aber auch mit Storchschnabel und Frauenmantel lässt sich die Pfingstrose sehr gut kombinieren.

 

Über die Pfingstrose

Die Pfingstrose gehört botanisch gesehen nicht zu den Rosen, sondern bildet eine eigene Gattung in der Ordnung der Steinbrechartigen (Saxifragales). Bereits seit 2000 Jahren wird sie in China kultiviert.

 

Namensherkunft

Die Bezeichnung „Paeonie“ geht auf den griechischen Arzt Paian zurück, der mit Hilfe von Pfingstrosen den verwundeten Gott Pluto geheilt haben soll.

Die in Südeuropa vorkommende Wildform „Paeonia officinalis“ (gemeine Pfingstrose), taucht in den Kräuterbüchern des Mittelalters immer wieder auf und auch dieser Name deutet auf ihre medizinische Wirkung hin („officinale“ = für Heilzwecke geeignet). Sie hatte ihren festen Platz in Kloster- und Bauerngärten und wird auch als Bauernpfingstrose oder Benediktinerrose genannt.

 

Einteilung der Kulturformen

Staudenpfingstrosen
Mehrjährige, krautige Pflanzen, oberirdische Triebe sterben im Winter ab

  • Paeonia lactiflora (milchweiße Pfingstrose oder Edelpfingstrose; ursprünlich aus China)
  • deren Hybride (Paeonia lactiflora x Wildsorte)

 

Strauchpfingstrosen 
Verholzende Halbsträucher und Sträucher

  • Paeonia suffruticosa
  • Paeonia lutea (gelbe Sorten stammen von dieser Wildart ab)
  • Paeonia rockii (optisch leicht erkennbar am dunklen Basalfleck in der Mitte der Blüte)

 

Intersektionelle Hybriden
Auch Itoh Hybriden genannt, sind Kreuzungen aus Stauden- und Strauchpfingstrosen. Sie beeindrucken durch Wuchshöhen von bis zu einem Meter und robuste Blüten.

 

Zahlreiche Wildformen wie zum Beispiel:

  • Paeonia officinalis (Gemeine Pfingstrose)
  • Paeonia tenuifolia (Netzblatt-Pfingstrose)
  • Paeonia emodi (Himalaya Pfingstrose)
  • Paeonia mascula (Korallen-Pfingstrose)
  • Paeonia mlokosewitschii (Kaukasus-Pfingstrose)

 

Die folgende Illustration entstand im Juni 2023 und zeigt eine der besonderen Pfingstrosen aus Mielys Garten. Weitere Pflanzen-Illustrationen finden Sie hier.

Pflanzen-Illustration mit drei pinken Pfingstrosenblüten und fünf Knospen
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